Eine akustische Zeitreise zurück ins Wünnewil des Jahres 1969: In einer Radiosendung erzählt der Dorfschmied, dass er umsatteln muss, weil es immer weniger Pferde gibt, und der Käser stellt seine Erfindung vor – ein Luftkissen, auf dem die Emmentaler heranreifen.
Historische Tondokumente haben ihren ganz besonderen Reiz. Aus ihnen sprechen die Menschen von damals direkt und unvermittelt zu uns. Eine ganz besondere Perle ist die Radiosendung über Wünnewil, die Radio Beromünster am 14. August 1969 ausgestrahlt hat.
Es handelt sich dabei um eine Radiosendung für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Wie die Sendung genau hiess, konnte mir auch das SRF-Archiv nicht sagen. Für die rund vierzigminütige Sendung hat ein Radioreporter Wünnewil besucht und unter anderem mit dem Gemeindeschreiber über die herausforderungen einer «geteilten Gemeinde» gesprochen (ab 4:40). Auch die zunehmende Mechanisierung in der Landwirtschaft ist ein Thema (ab 6:35).
Nur noch 50 Pferde im Dorf
Beim Besuch in der Dorfschmiede erfährt der Radioreporter, dass der Hufschmied zwangsläufig umsatteln muss auf andere Betätigungsfelder wie etwa Heizungsinstallationen – denn Pferde gibt es in Wünnewil noch gerade mal 50, früher waren es 300 (ab 16:33).
Ein alteingesessener Wünnewiler, der nebenbei als «Viehdoktor» tätig ist («Aber das will ich dann nicht im Radio hören»), kommt ebenso zu Wort (ab 18:00) wie die Serviertochter im Restaurant St. Jakob, die von der traditionellen Chilbi und dem Musikgeschmack der Jungen («Obladi-Oblada» von den Beatles) erzählt.
Der Dorfkäser Spycher berichtet von seiner Erfindung, einem Luftkissen, auf dem die Emmentaler in seinem Keller heranreifen, und das ihm viel Arbeit bei der Käsepflege erspart (ab 31:40; wegen einer schadhaften Stelle der Kassette fehlen hier einige Sekunden der Aufnahme).
Die musikalischen Beiträge der Sendung stammen vom Cäcilienchor Wünnewil und der Pfarreimusik Wünnewil. Zum Ausklang erklingen die Glocken der Pfarrkirche von Wünnewil.
Nehmen Sie sich 40 Minuten Zeit und hören Sie rein, wie Wünnewil vor über 50 Jahren geklungen hat. Vielleicht erkennen Sie ja die eine oder andere Stimme?
Ein Zufallsfund im Raiffeisenarchiv
Auf die Sendung bin ich übrigens per Zufall gestossen. Für die Ausstellung zur Raiffeisenkassierin Marie Brügger (mehr zu dieser Geschichte finden Sie hier) habe ich im Archiv der Raiffeisenbank Sensetal auch eine Kassette gefunden. Auf der A-Seite hatte jemand die Zeremonie zur Eröffnung des neuen Bankgebäudes der Raiffeisenbank Wünnewil im Jahr 1972 aufgenommen. Auf der Rückseite, mit der Aufschrift «Wünnewil am 14. August 1969», fand sich die Radiosendung über Wünnewil.
Im SRF-Archiv ist das Original der Sendung übrigens nicht mehr zu finden. Nur durch einen glücklichen Zufall hat dieses historische Tondokument also bis heute überlebt.
Stephan Moser