Zwischen Kirchturm und Betonsilo: Postkartengrüsse aus Wünnewil-Flamatt

Ländliche Idylle, Spuren der Moderne und Werbung fürs lokale Gewerbe: Historische Postkarten erzählen einiges über Wünnewil und Flamatt. Und sie zeigen, wie stark sich das Dorfbild über die Jahrzehnte hinweg verändert hat.

Für unsere Urgrosseltern waren Postkarten, was für uns heute SMS und WhatsApp sind: ein schnelles, unkompliziertes und billiges Mittel, um sich kurze Nachrichten zu schicken – ein Lebenszeichen aus der Ferne, die wichtigsten Neuigkeiten aus der Familie oder Glückwünsche zum Geburtstag. 1870 kam die Postkarte in der Schweiz auf und wurde bald zu einem unverzichtbaren Kommunikationsmittel für die breite Masse.

Auch ungeübte Schreiber, denen ein langer Brief Bauchweh machte, waren mit einer Postkarte gut bedient. Der Platz war beschränkt; mehr als ein oder zwei Sätze passten nicht auf die Karte. Der wahre Star der Postkarte war das Bild auf der Vorderseite, das «mehr als tausend Worte» sagte.

Was waren die Wünnewiler Sehenswürdigkeiten? Auf dieser Postkarte, die vor 1907 entstand, zeigt Wünnewil, das es alles hat, was es für ein (modernes) Dorf braucht: Natürlich eine Dorfkirche, ein repräsentatives Schulhaus, einen Gasthof und die Postablage (heute Musikhaus/altes Gemeindehaus). Auch das stattliche Schlössli fand Platz auf der Postkarte. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01936)

Ländliche Idylle mit Spuren der Moderne

Postkarten aus grossen Städten und fernen Ländern brachten einen Hauch Exotik in die heimische Stube. Doch welches Bild trugen historische Bildpostkarten von Wünnewil und Flamatt in die Welt hinaus? Was hielten die Fotografen und Postkartenverleger für wichtig genug, um im Format 9 mal 14 Zentimeter zu verewigen und zu verkaufen?

Die Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg hat eine ganze Reihe von Postkarten von Wünnewil-Flamatt aus der Zeit von 1898 bis in die 1930er-Jahre in ihrer Sammlung. Das Postkartenbild von Wünnewil ist dabei einerseits geprägt durch eine ländliche Idylle: viel Natur, unverbaute Wiesen, die (alte) Kirche mitten im Dorf. Auf den Postkarten tauchen aber auch Spuren der Moderne auf, etwa das 1898 erbaute Mädchenschulhaus, die Poststelle (im alten Gemeindehaus) oder die Bahnhaltestelle (die 1928 eröffnet wurde).

Die neue Kirche (1932/33 erbaut) und die alte Kirche (1968 abgerissen) stehen sich gegenüber. Links an der Dorfstrasse die Dorfkäserei von 1924. (Postkarte von J. Mülhauser, Privatbesitz)
Der Zug bringt Anschluss an die weite Welt: unten links die Haltestelle Wünnewil. Wer weiss, worum es sich beim Gebäude rechts unten handelt? (Postkarte vermutlich aus den 1930ern/40ern, Privatbesitz)
Die Wünnewiler Kirche durfte auf keiner Postkarte fehlen: «Gruss aus Wünnewyl», vor 1903. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01939)
Die alte Kirche mitten im Dorf. (Fotograf Joseph Lerf, zwischen 1900 und 1920, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01941)
Diese Weite: Wünnewil vom Dietisberg aus gesehen. (Zwischen 1920 und 1940, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01946)

Die Anfänge des Industriedorfes Flamatt

Frappierend auf den frühen Postkarten aus Flamatt ist, wie klein das Dorf damals noch war. Entlang der Hauptstrasse stehen erst wenige Häuser, kein Vergleich mit heute. Die Postkarten zeigen aber auch im Ansatz schon die Entwicklung Flamatts hin zu einem Industrie- und Gewerbedorf: so taucht ewa die Mühle von Flamatt als Landmarke auf vielen Postkarten auf. Und im Hintergrund ragt der Schornstein der Milchsiederei (von 1903-1921 Nestlé, ab 1927 Wander) von Neuenegg in den Himmel.

Da stehen an der Hauptstrasse in Flamatt erst ein paar einzelne Häuser. (Postkarte vor 1905, Fotograf Ernst Selhofer, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 03110)
Die Industrie als Postkartenmotiv: Im Vordergrund die Mühle von Flamatt, die Bahnlinie und im Hintergrund der Schornstein der Nestlé-Milchsiederei in Neuenegg. (zwischen 1904 und 1920, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01952)
Gruss aus Flamatt, vor 1901. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01950)
Die blühenden Obstbäume auf dieser handkolorierten Postkarte (vor 1920) unterstreichen den Charakter eines noch weitgehend ländlichen Flamatt. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01953)
Auf den Wünnewiler Postkarten dominiert der Kirchturm (oder zeitweise die beiden Kirchtürme) die Postkartenansichten, in Flamatt bestimmen die Betonsilos der Mühle das Ortsbild. Vorne in der Mitte das Kino von Flamatt (mehr dazu hier). (Photo & Verlag Werner Schmutz, Spiegel b. Bern, 1950er/60er, aus Privatbesitz)
Die «reformierte Seite» von Flamatt ins Bild gerückt: links aussen die reformierte Davidskirche von 1965, rechts davon das reformierte Schulhaus. (Photo & Verlag Werner Schmutz, Spiegel b. Bern, nach 1965, aus Privatbesitz)

Die Postkarte als Werbemittel

Postkarten waren auch ein prima Mittel, um Werbung zu machen. Postkartenhersteller sprachen gezielt lokale Gewerbler an, fotografierten sie vor ihrem Geschäft und druckten das Bild auf Postkarten. In Wünnewil verewigten sich so die Bäckerei Marchon, der Dorfschmied, der Konsumverein Konkordia und die Pfarreiwirtschaft auf einer gemeinsamen Postkarte, um für ihre Dienstleistungen zu werben.

Das Wünnewiler Kleingewerbe machte mit dieser Postkarte auf sich aufmerksam. Ob das Bild des «Köbu» bewusst schräg montiert wurde, oder ob hier bei der Produktion ein Fehler unterlief, ist nicht bekannt. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01938)

Besonders offensiv nutzte die Besitzerfamilie des Hotels Moléson in Flamatt die Bildpostkarte als Werbemittel für Ihr Etablissement; gleich mehrere solcher Postkarten sind überliefert. Die Familie Blaser-Herren posierte für die Aufnahmen mit ihren Angestellten und Ross und Wagen vor ihrem Hotel, auf einer Postkarte wurden sogar die Vorzüge des Hotels herausgestrichen: «deutsche u. franz. Kegelbahn. (Grosse Stallungen)».

Das Hotel Moléson vor 1911. Ob die abgebildeten Kutschen alle dem Hotel gehörten, oder lediglich als Requisiten dienten, um Betriebsamkeit zu simulieren, ist nicht bekannt. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 03112)
Besitzer und Angestellte posieren vor dem Hotel Moléson. Der Wegweiser im Vordergrund weist auf die gute Lage des Hotels an einem Verkehrsknotenpunkt hin. Noch fehlt das charakteristische Türmchen, das auf der oberen Postkarte zu sehen ist. (Postkarte vor 1907, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01954)
Diese Postkarte wirbt neben der Hotelansicht auch mit dem Neuenegg-Denkmal in Neuenegg für einen Besuch in Flamatt. (Postkarte vor 1902, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek, CAPO 01951)
Die älteste überlieferte Werbepostkarte für das Hotel Moléson stammt aus der Zeit vor 1899. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01949).
Auch das Restaurant zur Waage nutzte die Postkarte als Werbemittel. (ca. 1945, Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01955)

Aus der Vogelperspektive

Ein besonderes Genre sind Postkarten mit Luftaufnahmen. Aus der Vogelperspektive zeigen diese Postkarten besonders deutlich, wie sich die Dorfbilder von Wünnewil und Flamatt in den letzten Jahrzehnten massiv verändert haben. Sie dokumentieren etwa die Fertigstellung des Autobahnviadukts in Flamatt um 1972, den Bau der neuen Schulanlage in Wünnewil und zeigen den Zustand in Wünnewil vor dem Bauboom der 1980er und 1990ern.

Flugaufnahme von Wünnewil, undatiert, vor 1968, da die alte Kirche noch steht. (Foto: Glasson, Bulle; aus Privatbesitz)
Flugaufnahme von Wünnewil, undatiert vor 1968, da die alte Kirche noch steht. (Foto: J. Mülhauser, aus Privatbesitz)
Flugaufnahme von Wünnewil (vor 1968), links oben das neue Schulgebäude. (Foto B. Bachmann, Bern, aus Privatbesitz)
Flugaufnahme von Elswil, vor 1955. (Postkartensammlung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, CAPO 01947)
Flugaufnahme von Wünnewil. Noch hat der grosse Bauboom nicht eingesetzt. (Postkarte zum 75-Jahrjubiläum der Raiffeissenkasse Wünnewil 1980, Privatbesitz)
Die Autobahn als prägendes Element auch in Wünnewil. (Flugaufnahme von Photoramacolor AG, Meyrin, undatiert, aus Privatbesitz)
Flugaufnahme von Wünnewil, links wird das Schulzentrum gebaut. Die Liegenschaft, in der heute der Volg untergebracht ist, steht noch nicht. (undatiert, Aerofilms Picture, Jona SG; aus Privatbesitz)
Flugaufnahme von Flamatt. (undatiert, Perrochet Lausanne, aus Privatbesitz)
Hauptstrasse, Autobahn, Eisebahn: Flamatt als Verkehrsknotenpunkt. (M. Egli, Drogerie + Foto, Flamatt; undatiert, aus Privatbesitz)
Am Autobahnviadukt wird noch gearbeitet. (vor 1973, Aerofilms Picture, Jona SG. Aus Privatbesitz)
Auf dieser Flugaufnahme von Flamatt rollt der Verkehr über das Viadukt. Das Verkehrsaufkommen ist aber kein Vergleich mit heute. (undatiert, Photoramacolor AG Meyrin, aus Privatbesitz)

Wie sieht Ihre Postkartenansicht von Wünnewil-Flamatt aus?

Postkarten sind aus der Mode gekommen, ihre Herstellung schon lange kein lukratives Geschäft mehr. Die jüngsten Postkarten von Wünnewil-Flamatt dürften die obigen Luftaufnahmen aus den 1970er/80er-Jahren sein. Neuere Postkarten unserer Gemeinde gibt es meines Wissens nicht.

Ist das bedauerlich? Oder halt einfach der Lauf der Zeit? Und wie würde Ihr «Postkarten-Wünnewil» oder Ihr «Postkarten-Flamatt» von heute aussehen? Lassen Sie es mich wissen. Melden Sie sich doch bitte auch, wenn Sie weitere Postkarten unserer Gemeinde haben oder etwas zu den hier abgebildeten Postkarten sagen können.

Ich freue mich auf Ihre Reaktion.

Stephan Moser

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2 Kommentare

  1. Es gab auch ein Kinderheim in Wünnewil, das Haus ist mehr als 100 Jahre alt aber noch gut erhalten. Damals das einzige Kinderheim in Wünnewil. Marie Kaeser betreute über 100 Kinder, die einen blieben mehrere Jahre ,und waren glücklich ein Heim zu haben.

  2. Meine Tanten hatten dieses Heim gegründet, es war sehr heimelig und Tante Marie Kaeser war für alle das Muetti das für alle sehr liebevoll gesorgt hatte.
    Rosmarie Peissard eine Nichte.

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