Vor 94 Jahren schuf Pauline Schafer-Roggo die Lourdesgrotte in Balsingen. Der spirituelle Ort wird bis heute rege besucht – seine Votivtafeln erzählen auch ein Stück Migrationsgeschichte.
Am Anfang der Lourdesgrotte in Balsingen stehen eine schwere Krankheit und ein Versprechen. Pauline Schafer-Roggo (1896–1964) war eine «fromme Person» und eine «begeisterte Marienverehrerin», aber «nie eine Riesin an Gesundheit», wie es in ihrem Nachruf in den «Freiburger Nachrichten» heisst. Als sie Ende der 1920er-Jahre schwer erkrankte, versprach sie, zu Ehren der Muttergottes eine Lourdesgrotte zu errichten, wenn sie von ihrer Krankheit geheilt werde.
Sie wurde gesund – und hielt ihr Versprechen. Im Balsingerholz schlug sie «mit eigener Hand», wie es im Nachruf heisst, eine bogenförmige Nische aus einer offenen Sandsteinwand. Ganz in der Nähe bewirtschaftete sie mit ihrem Mann August Schafer einen Hof, den das Ehepaar von 1922 bis 1943 von Augusts Onkel Josef Schafer gepachtet hatte (danach zog die Familie nach Staffels). Der Wünnewiler Pfarrer Josef Schmutz, der regelmässig Freiburger Pilgerzüge nach Lourdes begleitete, brachte in ihrem Auftrag eine Marien- und Bernadette-Statue aus dem Marienwallfahrtsort mit. Die beiden Figuren wurden in die Nische gesetzt und an einem Sonntag im Mai 1930 weihte Pfarrer Schmutz die Grotte ein.
Über 60 Votivtafeln
Die Lourdesgrotte in Balsingen ist das Werk von Pauline Schafer-Roggos persönlicher Frömmigkeit. In der Grotte haben im Lauf der Jahrzehnte unzählige Menschen Trost, Rat und Kraft gesucht und gefunden. Über 60 Votivtafeln zeugen davon. Welche Sorgen, Nöte und Schicksalsschläge sich dahinter verbergen, das verraten die schlichten Dankestafeln nicht. Aber sie erzählen ganz nebenbei ein Stück Migrationsgeschichte. Während die ältesten Tafeln deutsche Inschriften wie «Maria hat geholfen» oder «Dank an Maria» tragen, kamen später zahlreiche spanischsprachige Tafeln hinzu mit Inschriften wie «Gracias Maria». In jüngster Zeit sind Votivtafeln in albanisch hinzugekommen.
Jede Votivtafel steht für ein Schicksal. (Foto: Stephan Moser)
Auch heute noch werde die Grotte rege besucht, erzählt Ursula Zihlmann-Schafer. Zusammen mit ihrem Mann Hans-Peter betreut sie die Grotte in dritter Generation. Der spirituelle Ort befindet sich seit Anfang in Privatbesitz, gehört also nicht der Pfarrei, sondern zum Schafer-Zihlmann-Hof in Balsingen 8. Ab 1957 kümmerte sich Hilda Schafer um die Grotte. Nach ihrem Tod 1985 übernahmen ihr Mann Rudolf und ihre Tochter Ursula Zihlmann-Schafer diese Aufgabe.
2002 wurde die Grotte umfassend renoviert, die Votivtafeln gereinigt und neu montiert. Dabei wurde auch die originale Marienstatue, die von den vielen Opferkerzen unrettbar verrusst war, durch eine neue Statue ersetzt. 2016 musste auch die Bernadette-Statue mit einer neuen Figur ersetzt werden. Beide Statuen holten Ursula und Hans-Peter Zihlmann persönlich in Lourdes. 2022 wurde ein neuer Weg erstellt und Pfarrer Paul Sturny weihte die erneuerte Grotte ein. Alle zwei Jahre hält der Dorfpfarrer im Mai den Wettersegen in der Lourdesgrotte.
Lourdesgrotte als «kleine Filialen» des französischen Marienwallfahrtsort
Lourdesgrotten gibt es in allen katholischen Gegenden der Schweiz. Auch in Deutschfreiburg gehören sie zur religiösen Landschaft. 14 Lourdesgrotten entstanden im Sensebezirk im 20. Jahrhundert meist auf private Initiative, die älteste wurde 1902 in Giffers gebaut. Vorbild für die Grotten war – wie der Name es schon sagt – der französische Marienwallfahrtsort Lourdes. In dem kleinen Dorf am Nordrand der Pyrenäen versicherte 1858 das Mädchen Bernadette Soubiros, ihr sei in einer Grotte mehrmals Maria erschienen. Die Diözese war erst skeptisch, 1862 anerkannte der zuständige Bischof aber die Marienerscheinungen. Ab 1874 werden sie von den Päpsten wiederholt bestätigt. Damit stieg Lourdes zum wichtigen Marienwallfahrtsort auf, der Pilgerreisende aus der ganzen Welt anzog. Auch aus Deutschfreiburg reisten jedes Jahr Pilgerinnen und Pilger mit Extrazügen nach Lourdes, in den 1920ern wurden sie dabei vom Wünnewiler Pfarrer Josef Schmutz begleitet. Die mehrtägige Reise dürfte damals wohl für viele die einzige Auslandreise gewesen sein, die sie je in ihrem Leben machten.
Allerdings konnten sich längst nicht alle die Reise leisten. Womöglich war es Papst Leo XIII. (1878-1903), der den Grundstein zu einer neuen Form der Marienverehrung legte. In den vatikanischen Gärten liess er die Grotte von Lourdes nachbilden mit Figuren von Maria und Bernadette. Dieses Beispiel machte Schule. In vielen katholischen Gegenden entstanden darauf «kleine Filialen» der Lourdesgrotte, wie sie der Theologe Mathias Arbogast nennt – eine davon 1930 auch in Balsingen.
Literatur & Quellen:
- Nachruf von Pauline Schafer-Roggo, in: Freiburger Nachrichten, 2. Mai 1964, Seite 15.
- Auskunft von Ursula Zihlmann-Schafer
- Arbogast Mathias, Lourdesgrotten in Deutschfreiburg, in: Freiburger Volkskalender 2004, S. 90-96 (1. Teil) und 2005, S. 52-60.