Über die Köpfe hinweg

Mit einer Petition an die Eidgenössische Bundesversammlung versuchen 100 Bürger aus Flamatt 1964 den Bau der Nationalstrasse N12 quer durch und über ihr Dorf zu verhindern. Ohne Erfolg.

Als im Herbst 1964 die Pläne ruchbar werden, dass der Bund die geplante Nationalstrasse N12 in Flamatt mit einem rund 700 Meter langen Viadukt über das Dorf hinweg bauen will, regt sich in Flamatt Widerstand. Angeführt vom Grafiker Hans Fauser macht ein «Komitee der Viadukt-Gegner» gegen die Trasseführung mobil. Mit Flugblättern in alle Haushaltungen wird die Bevölkerung auf den 9. Oktober 1964 zu einer grossen Orientierungsversammlung im Hotel Moléson aufgeboten.

An der Versammlung verschaffen die Kritiker des geplanten Viaduktes ihrem Ärger Luft, wie die «Freiburger Nachrichten» am nächsten Tag berichten. Der Viadukt verunmögliche es, dass sich Flamatt zu einer gefälligen und harmonisch gestalteten Ortschaft entwickeln könne. Zudem sehe der Viadukt eine rampenmässige Steigung vor, so dass die Lastwagen gerade über dem Dorf viel Rauch und Russ ausstossen würden, heisst es in dem Artikel.

Am 10. Dezember schicken Hans Fauser und 100 Bürger aus Flamatt eine Petition an die Eidgenössische Bundesversammlung. Diese solle «mit aller Entschiedenheit gegen die geplante Linienführung» Stellung nehmen, bitten die Petitionäre. Denn durch den Viadukt mit seinem Schattenwurf, Lärm und Abgasen würde die Gegend unter und neben dem Viadukt «für alle Zeit verschandelt», heisst es in dem Brief, der heute im Bundesarchiv in Bern liegt. «Nicht allein Schattenwurf, Lärm und Abgase spielen dabei eine Rolle, sondern auch die erdrückende psychische Einwirkung, die derartige Kunstbauten mit sich bringen, sofern sie über bewohntes Gebiet zu stehen kommen», heisst es weiter.

Bundesversammlung ist nicht zuständig

Doch die Flamatter finden in Bern kein Gehör. Der National- und der Ständerat treten nicht auf die Petition ein. Die Bundesversammlung sei nicht zuständig, schreibt deren Generalsekretär in seiner Antwort vom 15. Oktober 1965 an Hans Fauser.

Das letzte Wort in der Streckenführung der Nationalstrassen hat der Bundesrat. Und der lässt den Viadukt bauen – im wahrsten Sinne des Wortes über die Köpfe der betroffenen Bevölkerung hinweg.

Der «Antenne»-Beitrag des Schweizer Fernsehens vom 16. September 1969 vermittelt einen Eindruck von den Arbeiten am Viadukt in Flamatt:
https://www.srf.ch/play/tv/antenne/video/a12-ueber-den-daechern?urn=urn:srf:video:51e92056-ca37-46eb-a8a1-440173e19bcd

Mit der Petition aus Flamatt ist die Geschichte des Autobahnbaus in Flamatt noch längst nicht zu Ende erzählt. Weitere Archivrecherchen wären nötig, um herauszufinden, welche Position der Wünnewiler Gemeinderat in der Autobahnfrage einnahm.

Vielleicht können auch Sie mithelfen, die Geschichte weiter zu erzählen? Erinnern Sie sich an den Autobahnbau? Haben Sie Fotografien oder Filme zum Bau? Waren Sie oder Ihre Familie vom Bau selber betroffen? Können Sie mehr über den Widerstand gegen den Bau erzählen? Dann melden Sie sich.

Quellen & Literatur

  • Schweizerisches Bundesarchiv (BAR), E1070#1974/32#1075* (Petition Fauser Hans und Mitunterzeichner, Flamatt. Trasseführung der Autobahn in Flamatt)
  • «Freiburger Nachrichten»
  • Boschung Peter, Die neuen Brücken am Unterlauf der Sense, in: Freiburger Geschichtsblätter, Bd. 74, 1997, S. 279-365, insb. das Kapitel «Der Nationalstrassenbau im Sensegebiet», S. 328-341. (hier online)
Erzählen Sie diese Geschichte weiter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert