Die Wünnewiler Kirchenbaustelle

Praktisch ohne Maschinen, dafür mit viel Handarbeit und Muskelkraft wurde 1932/33 die modern anmutende Sichtbetonkirche von Wünnewil gebaut. Ein einzigartiges Fotoalbum aus dem Wünnewiler Pfarreiarchiv gibt uns spannende Einblicke in den Alltag auf der Kirchenbaustelle.

Im April 1932 beginnt an der Dorfstrasse in Wünnewil der elektrische Betonmischer zu rumpeln. Die Fundamente für die neue Pfarrkirche werden gelegt. In den nächsten Monaten wächst die Kirche Stück für Stück in die Höhe. Die Baustelle ist eine Attraktion, immer gibt es etwas Neues zu sehen. Auch aus den umliegenden Dörfern pilgern Neugierige nach Wünnewil. Eine Kirche in Sichtbeton, mit der der Freiburger Architekt Augustin Genoud den vorsichtigen Schritt vom Historismus in die Moderne wagt (siehe Kasten) – so etwas «Neumödigs» hat man im Sensebezirk noch nie gesehen.

Mittelalter trifft auf Moderne
Die Wünnewiler Pfarrkirche ist gleich in zweierlei Hinscht architekturhistorisch interessant. Sie ist eine der ersten Betonkirchen der Schweiz überhaupt, ihren unverputzten Sichtbeton stellt sie demonstrativ zur Schau. Und sie ist die erste Kirche im Sensebezirk, die sich vom Historismus abwendet und den Schritt in die Moderne wagt, hin zum sogenannt «neuen Bauen» mit seiner klaren, sachlichen und funktionalen Architektursprache.
Der Freiburger Architekt Augustin Genoud (1885-1963) verbindet in der Wünnewiler Kirche monumentale kubische Formen mit neuromanischen Elementen. Der für die Romanik typische Rundbogen zieht sich als Gestaltungselement durch den ganzen Kirchenbau, von der Aussenfassade über die Kirchenfenster, das kassettierte Rundtonnengewölbe bis hin zu den Kirchenbänken und dem Altar. Etwas salopp formuliert, trifft in der Wünnewiler Kirche Moderne auf Mittelalter.
Ursprünglich hätte die Pfarrkirche ganz anders aussehen sollen. Die ersten Pläne aus den 1920er-Jahren zeigen einen prächtigen, neobarocken Kirchenbau mit Seiten- und Querschiffen und grossen Fensterrosetten. Der radikale Wechsel der Pläne hat mehrere Gründe: Zum ersten stirbt im September 1931 unerwartet und wenige Tage vor dem geplanten Spatenstich der Wünnewiler Pfarrer Josef Schmutz, der den Kirchenbau seit 1909 vorangetrieben hatte. Einen Monat später bekommt Wünnewil mit Alphons Riedo einen neuen Pfarrer. Und der wirft die Pläne seines Vorgängers komplett über den Haufen. Statt am Platz der alten Kirche soll die neue Kirche oben an der Dorfstrasse gebaut werden, fordert Riedo. Unter dem Eindruck der modernen Kirchenarchitektur in Deutschland drängt Riedo auch auf eine Vereinfachung der Baupläne.
Es ist aber nicht nur die Debatte über modernes Bauen, die Genoud beeinflusst. Auch das Geld spielt eine wichtige Rolle. Geld ist beim Wünnewiler Kirchenbau knapp, gross werden soll die Kirche aber dennoch, fordert die Baukommission. Genoud ist gezwungen, zu sparen und muss daher seine ursprünglichen Pläne drastisch vereinfachen und alles Unnötige weglassen. Man kann also sagen, dass das knappe Budget einen entscheidenden Faktor dabei spielt, dass Genoud sich in Wünnewil für einen modernen Kirchenbaustil entscheidet.

Wie sah es damals auf der Kirchenbaustelle aus? Das wissen wir ziemlich genau. Der Wünnewiler Kirchenbau ist nämlich ausserordentlich gut dokumentiert. Das verdanken wir zum einen dem Freiburger Fotografen Johann Mülhauser. Im Auftrag der Pfarrei fotografierte er die wichtigsten Etappen des Kirchenbaus, der vom Spatenstich im März 1932 bis zur Kirchweihe am 29. November 1933 rund 18 Monate dauerte. Mülhauser hielt im Bild fest, wie die Arbeiter die Fundamente betonierten und das Holzgerüst für das Deckengewölbe errichteten. Er fotografierte die Grundsteinlegung im Juni 1932, die Glockenweihe im Juli 1933 und die Kirchweihe am 29. November 1933 mit Schnee und Kälte.

Hinzu kommen die Fotos von Alfons Rumo, von 1928 bis 1937 Vikar in Wünnewil-Flamatt, danach Pfarrer in Ueberstorf. Mit seiner Kamera machte der Amateurfotograf zahllose Schnappschüsse vom Bau. Er drückte ab, als Pfarrer Alphons Riedo im März 1932 den Spatenstich machte. Und er war dabei, als die Schulbuben mit lachenden Gesichtern die Glocken in den Turm aufzogen..

«Chronik in Lichtbildern vom Kirchenbau Wünnewil» nannte Rumo sein selbst gestaltetes Fotoalbum, in das er Mülhausers Fotos und seine eigenen Bilder klebte – versehen mit launischen Kommentaren und verziert mit bunten Schnipseln, die er aus Postkarten und Illustrierten ausgeschnitten hatte. Alfons Rumo starb am 26. Februar 1978. Sein Album hat im Pfarreiarchiv Wünnewil überdauert. Unten können Sie durch eine digitale Reproduktion des Fotoalbums blättern, eine analoge Version finden Sie in der Bibliothek Wünnewil.

Blättern Sie durch das digitale Fotoalbum

Arbeit in der Krise

Der Bau der Wünnewiler Pfarrkirche fiel mitten in die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Das Bauprojekt war ein Segen für alle Unternehmen, die dank dem Kirchenbau in der Krise zu dringend benötigten Aufträgen kamen. Ein Segen war die Baustelle auch für die Arbeiter. Wegen der Krise hatten auch viele Männer aus Wünnewil und Umgebug ihre Stelle in der Industrie im Bernischen verloren. Auf der Kirchenbaustelle in Wünnewil fanden sie zumindest für ein paar Wochen oder Monate Arbeit und Verdienst. Über 40 Arbeiter waren zeitweise pro Tag auf der Baustelle beschäftigt. Nicht alle davon sind namentlich überliefert. Die Namen der beiden Vorarbeiter hingegen kennen wir: Josef Boschung aus dem Pfaffenholz und Viktor Schaller aus Noflen.

Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 55 Stunden. Handlanger erhielten einen Stundenlohn von 85 Rappen bis einen Franken, Maurer 1 bis 1.30 Franken. Angestellt wurden nur «christlichsozial organisierte Arbeiter». Man wollte also explizit keine Sozialdemokraten und Gewerkschafter auf der Baustelle; man fürchtete, dass die «Roten» sozialistische Propaganda machen könnten. «Jedes aufwieglerische Treiben auf dem Arbeitsplatz ist verboten.» Die Arbeiter waren immer nur tageweise angestellt und konnten sofort entlassen werden, wenn sie sich den Anordnungen nicht fügten, sich gegen «ihre Kameraden ungebührlich» verhielten oder ohne Entschuldigung der Arbeit fernblieben.

Mit Spitzhacke und Schaufel

Wie muss man sich die Baustelle vorstellen? Im März 1932 ist Spatenstich. Ab April gehört der Sound des elektrischen Betonmischers zur Geräuschkulisse des Dorfes. Der Betonmischer war übrigens die einzige Maschine auf dem Bauplatz. Bagger gab es nicht. Die Arbeiter hoben die Gräben für die Fundamente von Hand mit Spitzhacke und Schaufel aus. Auf der Baustelle waren Gleise verlegt, mit kleinen Grubenwagen wurde der Aushub weg- und der Beton zu den Gräben gebracht. Im Juni 1932, drei Monate nach Spatenstich, wurde der Grundstein gelegt.

Als die Mauern aus armierten Stampfbeton in die Höhe stiegen, wurden primitive Gerüste gebaut, Baumstämme mit ein paar Querlatten, ohne Sicherung. Jeder Suvainspektor von heute bekäme einen Herzinfarkt, wenn er das sähe. Und Helme trugen die Leute damals auch keine. Auch Kräne gab es nicht. Mit Karetten wurden über Rampen das Baumaterial in die Höhe gebracht. Die 440 Kassettenelemente für die Decke wurden mit einfachen Flaschenzügen Stück für Stück in rund 15 Meter Höhe gezogen und montiert, um die 300 Kilogramm schwer.

Im November/Dezember 1932 wurde der Dachstuhl gebaut und am 31. Dezember verlegte der Dachdecker Peter Julmy aus Düdingen den letzten von 56’000 Ziegel. Dabei halfen ihm Kinder und Jugendliche aus Wünnewil, die – ungesichert – auf dem verschneiten Dach herumturnten.

Abgesehen von einem Beinbruch gab es übrigens keine grossen Unfälle.

Auch die Pfarreimitglieder mussten beim Bau der Kirche anpacken und Frondienst leisten. Laut Beschluss der Pfarreiversammlung waren die Grundbesitzer der Pfarrei verpflichtet, mit Ross und Wagen Baumaterial auf die Baustelle zu transportieren. Je wertvoller der Grundbesitz, desto mehr Fuhren mussten sie leisten. 77 Wagen Zement, rund 148 Kubikmeter Sand, 22 Fuder Stangen und 3500 Kilogramm Armierungseisen wurden so auf den Bauplatz gebracht.

Die Kirchweihe fand dann am 29. November 1933 statt – übrigens ein Mittwoch, weil der Freiburger Bischof an den Wochenenden keine Zeit hatte. Trotzdem war ganz Wünnewil auf den Beinen. Der Cäcilienchor sang, die Pfarreimusik spielte und die geladenen Gäste feierten den Freudentag in der Pfarreiwirtschaft mit Suppe, Pastete, Braten, Wein und Kaffee mit Kirsch.

Rumos Fotoalbum setzt der grossen Leistung der Arbeiter, die am Bau der Kirche beteiligt waren, ein Denkmal. Und es lädt dazu ein, nach vertrauten Gesichtern zu suchen. Vielleicht entdecken Sie ja auf einem der Bilder einen Vorfahren?

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Die Wünnewiler Glockenfuhr, Visitenkarten aus buntem Glas, «9.46 Uhr. Boum!» – Die Sprengung der alten Pfarrkirche

Literatur und Quellen

  • Pfarreiarchiv Wünnewil
  • Schneuwly-Poffet Daniela, Glanzpunkte der Historismusepoche, in: Der Sensebezirk zwischen Tradition und Moderne, Pro Fribourg, Bd. 81, 2017, S. 20-35.
  • Schneuwly-Poffet Daniela, Blütezeit der Farbräume, in: Der Sensebezirk zwischen Tradition und Moderne, Pro Fribourg, Bd. 81, 2017, 36-41.
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